Ich habe heute das Fahrrad in die Werkstatt gebracht. Sollen sie alles reparieren, was kaputt ist. Wenn ich Zeit hätte, hätte ich mich selbst daran gegeben. Ich habe am Wochenende schon das Fahrrad von meinem Freund geflickt.
Er hat noch ein Sportrad im Keller stehen, das werde ich mir am Samstag vornehmen. Je, wie ich Lust habe. Erstmal die Inventur überstehen. Heißt Überstunden. Morgen nach Feierabend mein Fahrrad wieder abholen. Wenn ich da nicht die Knie auf dem Boden hängen habe. Leiter rauf, Leiter runter und zählen. Alle waren heute ein wenig gereizt.
Den Fehler, den ich vor einigen Jahren gemacht habe: ich habe mir zunächst nichts dabei gedacht. Alles ging danach weiter wie vorher. Erst Wochen später merkte ich was davon. Man rief Sportvereine an und warnte davor, mich aufzunehmen. Alles entwickelte eine Eigendynamik. Handyfotos gerieten über mich im Umlauf und wurden in irgendwelchen Netzwerken veröffentlicht. Die Leute, mit denen ich um die Häuser zog wurden gegen mich aufgehetzt. Glücklicherweise haben diese sich zu mir bekannt und den Lästermäulern paroli geboten und sich davon nicht beirren lassen. Aber sowas belastet halt jede Freundschaft. Niemand will gerne selbst mit hineingeraten, was ich verstehen kann. Und so wurden Einladungen immer seltener. Weil es nun mal nicht besonders schön ist, wenn Unruhe auf einer Party entsteht, kaum dass ich da bin und es einigen nicht in den Kram passt, dass ich da bin.
Es gab sogar Leute, die mir das offen sagten, dass sie mit hineingezogen würden, würden sie sich mit mir zusammen sehen lassen.
Ich kann es verstehen. Das will niemand.
Ich meine oft kriege ich selber es erst als letzte mit, was wieder neues über mich im Umlauf ist. Ich treffe auf Menschen, die ich vorher nicht gesehen habe, die aber über mich bescheid wissen.
Nun ist es auch an meinem Arbeitsplatz angekommen. Durch eine neue Kollegin von einer Zeitarbeitsfirma. Ich habe die nie vorher gesehen, aber die weiß genau über mich bescheid und so wird alles aufgebauscht, was ich tue. Dass ich jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit komme, da wird gleich erzählt ich hätte Schulden und könnte das Auto nicht mehr bezahlen. Ich hätte Geldprobleme und würde nun auch noch am Essen sparen. Und vorallem ist es jeden Tag Thema, warum ich so fett bin. Die Gespräche verstummen, sobald ich in die Kantine komme. Mir wurde sogar der Tipp gegeben, dass ich die Probezeit nicht schaffen würde. Nach der Inventur würden die Chefs mich darauf ansprechen.
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